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Wie die Krise Rolls Royce erfinderisch machte

Drohte Rolls Royce noch in den 90er Jahren zum Opfer des eigenen technologischen Fortschritts zu werden, rissen sie das Ruder rechtzeitig herum und wurden Marktführer. Was war geschehen? Und was lässt sich daraus für die aktuelle Krise lernen?

14.05.2020Text: tnt-graphics0 Kommentare
Rolls Royce

Die Flugzeugtechnik war lang eine produktorientierte Branche. Auch wenn Flugzeugturbinen sukzessive langlebiger und leistungsstärker wurden, hatte dies keine Auswirkungen auf die Strategie von Turbinenherstellern wie Rolls Royce. Das Unternehmen war bis 2000 sehr erfolgreich, allein zwischen 1994 und 2000 verdreifachte es den Umsatz. Doch 2001 brachen die Turbinen-Umsätze dramatisch ein, was sich auch in den Absatzzahlen wiederspiegelte: Seither beliefen sich die Absätze für die zivile Luftfahrt nur noch auf 800 bis 1000 Turbinen pro Jahr.

 

Rolls Royce Absatzzahlen Turbinen Performance-based ContractingDie Turbinen-Absätze von Rolls Royce von 1994 bis 2010.

Es war also an der Zeit, neue Wege zu beschreiten: Anstatt nur Ersatzteile zu verkaufen, bot Rolls Royce mit «Maintenance, Repair & Overhaul (MRO)» Services zum Fixpreis pro geflogene Stunde an, verknüpft mit einer garantierten Mindestverfügbarkeit des Triebwerks (Smith 2013).

Zeitgleich kam Rolls Royce zugute, dass durch die zunehmend komplizierter werdenden Turbinentechnologien bisherige Steuerungssysteme schlicht nicht mehr ausreichten, und so wurden Systeme entwickelt, welche die Flug- und Turbinensteuerung komplett digitalisierten. Sämtliche Telemetriedaten des Flugzeugtriebwerks eines Flugzeugs liefen auf einem Rechner zusammen, der von dort aus die Triebwerksperformance verwaltete. Die Datenhoheit dieser «Fly-By-Wire»-Systeme spielte Rolls Royce bei der Eroberung des Servicemarktes in die Hände.

Neues Geschäftsmodell mit «Performance-based Contracting»

Vor der Einführung dieses neuen Geschäftsmodells lagen die Anreize zwischen Airlines und MRO-Anbietern diametral auseinander. Mit dem neuen Erlösmodell «fixer Kostensatz pro geflogener Triebwerkstunde» wurden die Ziele der Airline und Rolls Royce kongruent. Funktioniert das Triebwerk tadellos, verdient die Airline Geld und somit auch Rolls Royce. Wird das Triebwerk hingegen nicht genutzt, fallen keine Kosten für die Airline an und Rolls Royce geht leer aus. Somit ist es in der Herstellerverantwortung, alle MRO-Aktivitäten durchzuführen und zu optimieren, um das Triebwerk möglichst einsetzbar zu halten.

Begünstigt durch die positive Entwicklung der MRO-Sparte und neuer Triebwerke eröffnete Rolls Royce 2004 ein Operations Centre, um die Flugzeugtriebwerke ihrer Kunden 24/7 in real-time per Remote-Monitoring zu überwachen. Hier werden Telemetriedaten von Flugzeugen, Triebwerken, MRO-Standorten und der Logistik koordiniert sowie allenfalls Ingenieurswissen bereitgestellt. Mit Hilfe dieser neuen Einrichtung kann im Bedarfsfall, während das Flugzeug noch in der Luft ist, neben dem aktuellen Problem zusätzlich die History des Triebwerks am relevanten Standort abgerufen werden und bereits im Vorfeld die notwendigen Serviceaktivitäten vorbereitet werden. Rolls Royce verwies mit dieser Strategie die Konkurrenz auf die hinteren Plätze.

Vorteile des neuen Geschäftsmodells

Die Basis für dieses erfolgreiche Geschäftsmodell nennt sich «Perfomance-based Contracting». Grundsätzlich errechnet sich bei diesem Modell der Preis nicht allein aus dem Verkauf eines Produktes, sondern auf Basis der Performance, die dieses über seine Lebensdauer erbringt. Der Preis für die erbrachte Performance ist fix und umfasst sämtliche Betriebs-, Wartungs- und Reparaturkosten. Damit soll dem Kunden gegenüber die Kostensicherheit gewährleistet werden – ein zentrales Wertversprechen dieses Modells. In der Regel wird man dieses Modell in Branchen finden, wo der Hersteller auch intensiv in die Wertschöpfungskette seines Kunden miteingebunden ist und damit ein Schlüsselpartner darstellt. (Gassmann, et.al, 2017)

Wie lässt sich dies nun auf andere Geschäftsbereiche und Branchen übertragen?

5 Key Takeaways für Performance-based Contracting:

  1. Ähnliche Produkte und Märkte identifizieren: Welche Branchen können mit dem vorhandenen Skill- oder Technologie-Set, über das Sie verfügen, auch angegangen werden?
  2. Ressourcen bündeln: Welche Ressourcen im eigenen Unternehmen sind für diese Märkte bereits tätig? Wie lässt sich das Know-how bündeln?
  3. Kongruentes Geschäftsmodell entwickeln: KPIs erstellen, in denen die Kundenbedürfnisse als auch eigene Ziele ausbalanciert sind.
  4. Quick wins erzeugen: Mit einem Pilotkunden zusammenarbeiten, um in kurzer Zeit nachvollziehbare und überzeugende Erfolge zu erarbeiten.
  5. Marktvorsprung ausbauen und Ökosystem entwickeln: Organisatorisch hat es Rolls Royce mit dem Operations Centre vorgezeigt. Hier wurde das Know-how an einem Standort gebündelt, analysiert und weiter ausgebaut. Zusätzlich wurden die Kunden weiter segmentiert. Zuletzt etablierte Rolls Royce ein eigenes Data Lab und baut in Partnerschaft mit Bright Cap Ventures und Start-ups an einem eigenen Ökosystem für digitale Branchenlösungen.

Die Aufgabe von bbv ist es, am Puls der Entwicklungen zu bleiben, um die Kunden mit bestem Know-how zu beraten, mit Innovation Workshops oder Software-Modernisierungs-Workshops zu informieren und begleiten und mit aktuellsten Lösungen das Business zu unterstützen. So begleiten wir die Teilnehmer auf Basis der neuesten Erkenntnisse und Best Practices von der Idee bis zum Business Case. Und wenn es soweit ist, bbv die Kunden bei der Projektumsetzung und der Integration der neuen Technologien.

bbv Innovation Workshops

Die bbv Innovation Workshops bieten Ihnen ein ideales Format, um Geschäftsideen und neue Geschäftsmodelle zu verschiedenen technologischen und methodischen Trendthemen schneller zu finden und zu entwickeln. Sie erhalten Begleitung von der Idee bis zum Business Case.

Der Autor

Harald Beer

Harald Beer ist Senior IT-Consultant bei bbv. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Umsetzung von IT-Vorhaben – sowohl im klassischen, als auch im agilen Umfeld. Mit diesem Know-how berät Beer seine Kunden bei Produktvisionen und -strategien sowie beim agilen organisatorischen Set-up.

 

Quellen:

 

David J. Smith (2013) Power-by-the-hour: the role of technology in reshaping business strategy at Rolls-Royce, Technology Analysis & Strategic Management, 25:8, 987-1007, DOI: 10.1080/09537325.2013.823147 (abgerufen am 5.5.2020).

 

A-S, Gillespie. A. Muñoz, D. Morwood, T. Aries. (2020). R2. The Route To Circular Economy. Rolls-Royce. A Circular Economy Business Model Case

 

Rolls Royce. (2019). Strategic Report, DOI: https://www.rolls-royce.com/~/media/Files/R/Rolls-Royce/documents/annual-report/2019/ar2019-strategic-report.pdf (abgerufen am 5.5.2020)

 

O. Gassmann. K. Frankenberger. M. Csik. (2017). Geschäftsmodelle entwickeln. 55 innovative Konzepte mit dem St. Gller Business Model Navigator. Hanser. München.

 

Foto: © Rolls Royce

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